Sonar Quartett: Materie – Evolution II
In der Tradition der Konzerte am Vorweihnachtsabend ist das Sonar Quartett mit dem Abend „Materie“ im radialsystem zu Gast. Die fünf Konzertabende der neuen Reihe „Evolution“ rücken an verschiedenen Veranstaltungsorten die improvisatorische und kompositorische Arbeit des Sonar Quartetts in den Mittelpunkt. Ganz im Sinne des Titels entwickelt das Quartett mit seinem neuen Werk „Magma“ eine neue kompositorische Arbeit, die sich von Konzert zu Konzert weiterentwickelt und jeweils ins Verhältnis zu weiteren thematisch verbundenen Werken gesetzt wird. Die Reihe ist im September digital gestartet, „Materie“ ist das erste Live-Konzert.
Als Klammer für das Konzert im radialsystem hat das Sonar Quartett den Begriff der Materie gewählt – womit der Entstehungsprozess als gedanklicher Bogen zwischen den Werken von Samir Odeh-Tamimi, Laure M. Hiendl, Giuseppe Verdi und der Eigenkomposition des Quartetts selbst aufgespannt wird. Odeh-Tamimis Streichquartett steht für einen Entstehungsprozess zwischen europäischen und außereuropäischen Kulturen. Hiendls Komposition verwebt Sampling-Techniken mit der Welt des Streichquartetts: Es entsteht eine Art unterbrochener Kontinuität zwischen lyrischen Gesten und ihren zersplitterten elektronischen Resonanzen, Materie verdichtet sich und zerfällt wieder… Verdi hatte sich im Vorfeld seiner Komposition intensiv mit den Streichquartetten Mozarts, Haydns und Beethovens auseinandergesetzt: Sie bildeten damit quasi die Substanz, die Materie, von der ausgehend Verdi – durch die Reduktion auf vier Instrumente – absolut-musikalische Qualitäten zum Vorschein brachte. In diesem Spannungsfeld wird auch die Eigenkomposition des Sonar Quartetts weiterentwickelt: Was kann sich als Substanz herauskristallisieren, aus der das neue Werk „Magma“ besteht?
Biografien der Performer*innen
Seit seiner Gründung 2006 tastet das Sonar Quartett immer wieder die Ränder der klassischen Musik ab, es erschafft Utopien und improvisiert Klangabdrücke, deren Nachhall schon den Weg zum nächsten notierten Werk weist. Künstlerisch inspiriert und aufgehoben fühlen sich Wojciech Garbowski und Susanne Zapf (Violine), Nikolaus Schlierf (Viola) und Cosima Gerhardt (Violoncello) in ihrer Viersamkeit, weil sie einander inspirieren, fordern und verschiedenste Ideen in einem Schmelztiegel heiß verkochen: Das Ergebnis ist ein lebendiges, pulsierendes Konzerterlebnis auf höchstem Niveau. Die vier in Berlin lebenden Musiker*innen verstehen sich als komponierendes Streichquartett, das weit über vermeintliche Genregrenzen hinausgreift, indem es sich elektronischer Verstärkung und Verfremdung, aber auch der eigenen Körper bedient, etwa in Projekten mit dem Beatboxer „Mando“ oder der Komponistin Alwynne Pritchard. In eigenen Konzertreihen wie „Utopie Streichquartett“ und „Ränder“ haben die vier Musiker*innen dabei ihre ideale Musik gefunden – fragil und intensiv. 2019 haben sie eine CD mit selbst improvisiert-komponierten Werken herausgebracht. Beim Huddersfield Contemporary Music Festival 2019 kam jüngst ein neues Werk von Naomi Pinnock zu den mehr als 100 Uraufführungen hinzu, die das Sonar Quartett bereits gespielt hat.
Programm
Samir Odeh-Tamimi (*1970)
„Paravolí für Streichquartett“ (2014)
Sonar Quartett
„Magma“ (2020) UA
Laure M. Hiendl (*1986)
String Quartet No. 1 „Tubular-Mondo“ (2018) für Streichquartett und Elektronik
Giuseppe Verdi (1813-1901)
Streichquartett e-Moll (1873)